Grenzwerte
Die Grenzwerte: Wie hoch sind sie eigentlich und welche Erwägungen liegen ihnen zugrunde?
Die Grenzwerte für ortsfeste Anlagen (d. h. insbesondere für die Mobilfunkbasisstationen) sind in Deutschland in den §§ 2 und 5 der 26. BImSchVO geregelt.
Die Grenzwerte gemäß §§2, 5 der 26. BImSchVO basieren auf Empfehlungen von Expertenkommissionen. In Deutschland ist für die Normung die Deutsche Elektrotechnische Kommission (DKE) beim Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik e. V. (VDE) zuständig, was elektromagnetische Felder betrifft. In diesem Gremium haben die Vertreter großer Industrieunternehmen und Wirtschaftsverbände eine Zweidrittelmehrheit. Das übrige Drittel wird gestellt von Bundes-und Landesministerien, dem TÜV, den DIN e. V., von Forschungsgemeinschaften und wissenschaftlichen Instituten. Die DKE wurde vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragt, die gültigen Normen zu erarbeiten – auch für die hochfrequenten Felder, die von Mobilfunkanlagen und Handys ausgeht. Das Verfahren mündete schließlich in die heute gültige DIN-Norm 0848.
Für die Grenzwerte der Bundesimmissionsschutzverordnung bedient sich der Gesetzgeber seit 1994 des Rats der Strahlenschutzkommission (SSK), die beim Bundesumweltministerium angesiedelt ist. Ebenso wie die DKE beruft sich auch die SSK im Wesentlichen auf ein anderes internationales Gremium, und zwar die ICNIRP (International Commission on non-Ionising Radiation Protection), ein eingetragener Verein mit Sitz in Neuherberg bei München. Dabei handelt es sich um eine formal unabhängige Kommission von Wissenschaftlern, die von der Weltgesundheitsorganisation und von der EU offiziell anerkannt ist.
Sie besteht aus 14 Mitgliedern, der vier weitere ständige Komitees für Epidemiologie, Biologie, Physik und Optik zuarbeiten (vgl. Grasberger/Kotteder, Mobilfunk. Ein Freilandversuch am Menschen. S. 45). Wer Mitglied wird, entscheidet die ICNIRP selbst. (Grasberger/Kotteder, Bl. 96). Mitglieder sind formal unabhängige Experten in den wissenschaftlichen Disziplinen, die für die Beurteilung nichtionisierender Strahlung notwendig sind. Sie werden durch die Kommission selbst, auf die Nominierung durch den Rat der International Radioprotection Association (IRPA) oder deren assoziierte Vereinigungen hin gewählt.
Im April 1998 veröffentlichte die ICNIRP ihre Richtlinien, die seither maßgebend für viele nationale Grenzwerte sind, Richtlinien für die Begrenzung der Exposition durch zeitlich veränderliche elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder (bis 300 GHz), Übersetzung aus dem Englischen von Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und Bundesamt für Strahlenschutz, veröffentlicht in Berichte der Strahlenschutzkommission, Heft 23.
Die ICNIRP geht dabei von Studien aus, die sich auf die thermischen Wirkungen elektromagnetischer Felder beziehen, also eine Erwärmung des betroffenen Gewebes bedeuten. Unterhalb der Schwelle für thermische Wirkungen träten praktisch auch keine nichtthermischen auf. Gesundheitliche Schäden seien deshalb unterhalb der empfohlenen Grenzwerte nicht zu erwarten.
Die am deutlichsten messbare Wirkung hochfrequenter elektromagnetischer Felder ist, dass ihre Energie im Körper in Wärme umgewandelt wird. Als Basis gehen die verschiedenen Kommissionen deshalb von einem SAR-Wert aus, der den menschlichen Körper um weniger als 1 Grad Celsius erwärmt – bei einer Belastungsdauer von 30 Minuten (Bei der Exposition des Körpers hinsichtlich elektromagnetischer Felder tritt eine Absorption hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf, die durch die sog. Spezifische Absorptionsrate, SAR, einem Maß für den auf die Gewebemasse bezogenen Leistungsumsatz (W/kg) quantifiziert wird). Aus Tierexperimenten weiß man, dass dies die Wirkungsschwelle für thermische Schäden ist; sie entspricht einem SAR-Wert von 4 W/kg. Um auf der sicheren Seite zu bleiben, so die Experten, nahm man für bestimmte, besonders exponierte Berufsgruppen einen Grenzwert, der ein Zehntel dieses Werts beträgt, und für die Allgemeinbevölkerung einen, der ein fünfzigstel ausmacht. Die von ICNIRP und DKE empfohlenen Grenzwerte – für die Ganzkörperbestrahlung – lauten:
Für besondere Berufsgruppen: 0,4 W/kg
Für die Allgemeinbevölkerung: 0,08 W/kg
Weil die spezifische Absorptionsrate nur schwer zu messen ist, verwendet man in der Praxis abgeleitete Grenzwerte für die leichter zu messenden elektrischen und magnetischen Feldstärken und die Leistungsflussdichte. Diese sind von der Frequenz abhängig. Nachfolgend Beispiele für 900, 1800 und 2000 MHz:
Für die Allgemeinbevölkerung:
El. Feld | Magn. Feld | Leistungsdichte | |
GSM – 900: | 41 V/m | 0,111 A/m | 4,5 W/m² Entspricht 4,5 Mio. mikroW/m² |
GSM-1800: | 58 V/m | 0,157 A/m | 9 W/m2 Entspricht 9 Mio. mikroW/m² |
UMTS: | 61 V/m | 0,165 A/m | 10 W/m2 Entspricht 10 Mio mikroW/m² |
Formel: | 1,375√f | 0,0037√f | f/200 |
Die Werte für besondere Berufsgruppen, vor allem das Wartungspersonal für Mobilfunkstationen, liegt durchgängig um das Zehnfache höher. Hinzu kommen aber noch Spitzenwerte, die deutlich höher liegen, denen der Arbeitende jedoch nicht länger als sechs Minuten ausgesetzt sein darf (Grasberger/Kotteder, S. 45 - 47).
Etwas salopp ausgedrückt: Das Einzige, was die Grenzwerte verhindern ist, dass die Belastung der Bevölkerung mit hochfrequenten Feldern so stark ist, dass die Umwelt zum Mikrowellenherd wird und sich der Mensch tatsächlich erwärmt. Alles darunter ist erlaubt. Vor der wissenschaftlich vielfach diskutierten Gefahr, dass elektromagnetische Felder zur Entstehung von DNA-Brüchen führen, die wiederum eine Vorstufe von Krebs darstellen, schützen die Grenzwerte ausdrücklich nicht.
Ermittelt wurden die Werte nicht mit den heute überall verwendeten modulierten Frequenzen, sondern mit einem sog. cw-Strahler (cw für continuous wave). Energetisch besteht zwischen der Wirkung beider Quellen kein Unterschied. In medizinisch-biowissenschaftlicher Hinsicht entspricht das nicht modulierte Hochfrequenzfeld sozusagen der Glühbirne, die digitalisierte und komprimierte Information der streng periodisch emittierten Hochfrequenzpakete dem Stroboskop, dass bei entsprechender Veranlagung epileptische Anfälle auslösen kann. Ein weiteres Problem ist, dass sich die Grenzwerte nach 26. BImSchV auf einen Expositionszeitraum von sechs Minuten beziehen. Berücksichtigt werden also nur akute Wirkungen. Völlig unbeachtet bleibt die Folge der Langzeitexposition mit schwachen Feldern (vgl. Dr. rer. nat. Lebrecht von Klitzing, Welchen Wert haben Grenzwerte? In: Warum Grenzwerte schädigen, nicht schützen – aber aufrecht erhalten werden – Beweise eines wissenschaftlichen und politischen Skandals) .
SAR-Werte für Handys:
Zur Festlegung des Grenzwertes für Handys wird in Deutschland eine Empfehlung der Strahlenschutzkommission zugrunde gelegt, die als Obergrenze einen Wert von 2 W/kg, gemittelt über jeweils 10 g, nennt. Diese Empfehlung basiert wiederum auf der Leitlinie der ICNIRP. Der Teilkörper –Basisgrenzwert gilt für Kopf und Rumpf.
Zum Streitstand bezüglich der SAR-Werte verweisen wir hier auf folgenden link:
www.diagnose-funk.org/aktuell/brennpunkt/sar-wert-fuer-handys-bietet-keine-sicherheit.php
Auf europäischer Ebene (CENELEC; European Committee for Electrotechnical Standardization) sind sowohl eine Grundnorm zur Messung der spezifischen Absorptionsrate in Bezug auf die Sicherheit von Personen in elektromagnetischen Feldern von Mobiltelefonen (EN 50361) als auch eine Produktnorm über Verfahren zur Bestimmung der spezifischen Absorptionsrate (SAR) von handgehaltenen Geräten, die in enger Nachbarschaft zum Ohr benutzt werden (Frequenzbereich von 300 MHz bis 3 GHz) (EN 62209-1) zu beachten. Zusätzlich wird zur Zeit ein zweiter Teil der EN 62209 „Verfahren zur Bestimmung der spezifischen Absorptionsrate von mobilen schnurlosen Telekommunikationsgeräten, die in enger Nachbarschaft zum menschlichen Körper verwendet werden (Frequenzbereich 30 MHz bis 6 GHz)“ erarbeitet. Schon jetzt geben einige Hersteller SAR-Werte für diesen Anwendungsfall an. Diese Normen können de facto als internationale Standards betrachtet werden, da die von CENELEC oder IEC (International Electrotechnical Commission) entwickelten Normen jeweils gegenseitig übernommen werden. Zudem werden sie von den Herstellern akzeptiert (Auskunft aus der Seite des BfS vom 27.11.2010).
Auch CENELEC und IEC sind in erster Linie Komittees von der Industrie für die Industrie.
Effekte auf den menschlichen Körper, die nicht auf der thermischen Wirkung, d. h. der Erwärmung des menschlichen Körpers beruhen, werden bei der Grenzwertfestsetzung in keiner Weise berücksichtigt! In den Richtlinien der ICNIRP heißt es dazu wortwörtlich: „Generell gilt, dass die Literatur über nichtthermische Auswirkungen von elektromagnetischen AM-Feldern so komplex ist, die aufgezeigten Wirkungen so wenig gesichert sind und die Relevanz für die Gesundheit des Menschen unsicher ist, dass es unmöglich ist, diese Gesamtheit an Daten als Grundlage für die Festsetzung von Grenzwerten für die Exposition des Menschen heranzuziehen“ (Richtlinien...., Deutsche Übersetzung des des BMU und BfS, S. 74). Man sollte sich diesen Satz einmal auf der Zunge zergehen lassen: Weil die Literatur so komplex ist, lassen wir die Erkenntnisse einfach weg. Eigentlich könnte man auch gleich schreiben: Weil der menschliche Organismus so komplex ist, lassen wir die biologischen Erkenntnisse einfach links liegen und konzentrieren uns auf die – scheinbar - überschaubare Physik.
Weiterführend: Warum Grenzwerte schädigen, nicht schützen – aber aufrecht erhalten werden; Heft 4 der Schriftenreihe der Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie; zu bestellen z. B. bei www.diagnose-funk.org
Kritik der Einschätzungen der Auswirkungen auf die Gesundheit in den ICNIRP-Richtlinien für Hochfrequenz- und Mikrowellenstrahlung (100kHz-300GHz) von Neil Cherry, Lincoln Universität Neuseeland; download unter
www.buergerwelle.de/assets/files/neil_cherry.pdf?cultureKey=&q=pdf/neil_cherry.pdf