3.4. Untersuchung der Schlafqualität bei Anwohnern einer Basisstation - Experimentelle Studie zur Objektivierung möglicher psychologischer und physiologischer Effekte unter häuslichen Bedingungen,
Studie durchgeführt von Prof. Dr. rer. nat. Heidi Danker-Hopfe und Dr. Ing. Hans Dorn, vom Institut für interdisziplinäre Schlafmedizin der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité – Universitätsmedizin Berlin liegt folgendes Studiendesign zu Grunde: In Orten, in denen es bis zur Durchführung des Experiments keine Mobilfunkbelastung gab, wird ein mobiler Sendemast aufgestellt. Dieser sendet 14 Tage nach dem Zufallsprinzip in mehreren Nächten Signale, in anderen nicht. Bei Anwohnern, die sich zur Teilnahme am der Studie bereit erklärt haben, werden Daten zur objektiven und subjektiven Schlafqualität erhoben, ohne dass sie wissen, in welchen Nächten sie exponiert wurden und in welchen nicht. Vorab beantworten die Probanden eine Reihe von Fragebögen. Subjektive Daten zur Schlafqualität werden jeden Abend und jeden Morgen erhoben, in dem die Probanden ein sog. Abend- und Morgenprotokoll ausfüllen. Abgefragt werden im Abendprotokoll die subjektive Befindlichkeit zum Zeitpunkt des Ausfüllens, ob man sich tagsüber müde oder erschöpft gefühlt habe, ob es besonders starke Belastungen im Tagesverlauf gegeben habe etc. Im Morgenprotokoll wird z. B. abgefragt, wie erholsam der Schlaf war, nach der Zeit zwischen Lichtlöschen und Einschlafen, nach nächtlichen Wachzeiten sowie die mögliche Ursache für schlechten Schlaf. Die Daten zur objektiven Schlafqualität wurden mittels EEG (Elektroenzephalografie) erhoben. Als primäre Zielgröße wird die objektive Schlafeffizienz angegeben, die ermittelt wird aus dem Verhältnis der objektiven Bettzeit (Zeit zwischen dem „Licht aus“ und dem „Licht an“-Marker) und der objektiven Gesamtschlafzeit (Zeit zwischen dem „Licht aus“ und dem „Licht an“-Marker abzüglich der „Wach-Phasen“). Sekundäre Zielgrößen sind die objektive Bettzeit, die objektive Gesamtschlafzeit, die objektive Einschlaflatenz zum Schlafstadium 1 und 2 sowie die objektive Wachdauer in Minuten und der objektive Wachanteil in Prozent, jeweils bezogen auf die objektive Bettzeit.
Durch die Einführung der Elektroenzephalogramms in den 20er Jahren durch den Psychiater Hans Berger wurde der Schlaf auf der physiologischen Ebene messbar. Schlaf ist eine ganz spezielle Aktivität des Gehirns. Der Übergang vom Wachzustand in den Schlaf ist gekennzeichnet durch eine Umorganisation der neuronalen Funktion in mehreren Stufen. Diese Umorganisation äußert sich u. a. in einer zunehmenden Verlangsamung der Hirnstromaktivität, die in regelmäßigen Abständen durch Phasen von Aktivierung unterbrochen wird, sowie im Auftreten besonderer Potenzialmuster, die einen Vergleich zum Wachsein andersartigen Zustand signalisieren. Die im EEG nachweisbare unterschiedliche neuronale Aktivität im Schlaf hat zur Unterscheidung von 5 Schlafstadien geführt: der durch schnelle Augenbewegungen (rapid eye movements) gekennzeichnete REM-Schlaf sowie vier weitere non-REM (NREM) Schlafstadien (NREM 1 – NREM 4), die auf der Basis des Anteils langsamer und hochamplitudiger Wellen im EEG differenziert werden.
Das Schlafprofil (Hypnogramm) zeigt, dass der Schlaf zyklisch verläuft, wobei ein Schlafzyklus mit NREM-Schlafstadien beginnt und mit dem Ende einer REM-Schlafphase endet. Im Verlauf einer Nacht werden durchschnittlich 4- 5 Schlafzyklen durchlaufen. Zu Beginn der Nacht dominiert der Tiefschlaf (NREM 3 und NREM4), während zum Ende der Nacht die REM-Schlafphasen an Länge zunehmen.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es keinen Anhalt für die Beeinflussung der Schlafqualität durch Mobilfunkbasisstationen auf physiologischer Ebene gibt, da sich keine signifikanten Unterschiede auf Gruppenebene in sämtlichen Zielparametern der objektiven und subjektiven Schlafqualität zeigten und die (statistisch betrachtet) geringe Anzahl von Personen , die zwischen den Bedingungen signifikante Unterschiede in mindestens einem Parameter aufweisen, kein einheitliches Bild liefert. Es seien dabei annähernd gleich viele Verbesserungen als auch Verschlechterungen eingetreten, die zusätzlich unabhängig von der Größe des Feldstärkepegels waren (S. 233). Man habe aber eindeutige Effekte allein durch die Existenz einer Mobilfunkbasisstation verbunden mit der Besorgnis über mögliche gesundheitliche Risiken auf den primären objektiven und subjektiven Schlafparameter „Schlafeffizienz“ und die sekundären Zielparameter objektive und subjektive „Wachdauer nach Schlafbeginn“ und „subjektive Einschlaflatenz“ nachweisen können. Diese Parameter seien bei größerer Besorgnis signifikant negativ beeinflusst worden. Auf die weitere Frage zum Ausmaß von Sorgen, die den Mobilfunk allgemein (Mobilfunksendeanlagen, Handys und schnurlose Telefone gleichermaßen) betrifft, hätten keine Effekte auf die subjektiven Parameter gefunden werden können (S. 234).
Das wäre jetzt ein beruhigendes Ergebnis, wenn es auf nicht angreifbaren Weg zustande gekommen wäre. Ein gravierender Mangel ist jedoch, dass in der Studie die wirklich interessanten Daten nicht ausgewertet wurden, nämlich die EEG-Aufzeichnungen zur Schlaftiefe, d. h. ob sich die Anteile der verschiedenen Schlafstadien durch die Exposition verändern haben. Jeder weiß, dass sich die Frage, ob man dauerhaft genügend Schlaf bekommt, nicht nur danach richtet, wie lange man schläft, sondern auch wie tief, und das alleine die im Bett verbrachte Zeit gar nichts besagt. Hierzu heißt es lapidar: „Solche detaillierten Analysen der Schlaf-EEGs waren in der vorliegenden Studie aufgrund der ambulanten Methode der Schlafaufzeichnung und der damit verbundenen Limitierung an Kanälen, sowie der Fülle an Daten (über 4400 PSGs), die nicht alle visuell gescort werden konnten, nicht möglich.“ (S. 233). Angesichts der Tatsache, welche immense Bedeutung ungestörter Schlaf für die Gesamtbevölkerung hat, ist völlig unverständlich, dass es mit dieser Form der Datenerhebung getan sein soll. Es bestätigt sich ein Trend, der für alle vom BfS in Auftrag gegebenen Studien gilt: Es wird immer dort aufgehört, zu forschen, wo es interessant wird oder werden könnte. Und: Aus vorhergehenden Studien ergibt sich eben gerade, dass es zu Veränderungen der Schlafstadien unter Exposition gibt, und zwar auch bei Menschen, die nicht subjektiv elektrosensibel sind (z. B. Mann und Röschke, 1996). Dass es nicht damit getan ist, die subjektive Einschätzung der Probanden zu werten, ist in der Schlafforschung eigentlich bekannt, nachdem die subjektiven Einschätzungen häufig ganz erheblich von den objektiv erhobenen Daten abweichen. Wenn dies zwei Schlafspezialisten nicht bekannt ist, so dass sie entwarnen, weil die Menschen unter Exposition das Gefühl hatten, besser zu schlafen, zeigt dies leider, wie weit es mit der Forschung gekommen ist.
Die Aussagekraft ist auch deshalb eingeschränkt, weil sie sich lediglich auf kurzzeitige Effekte bezieht. Aus der Auswertung der russischen Studien aus der Nachkriegszeit durch Prof. Hecht und Dr. Balzer zur Auswirkung von Mikrowellen auf exponierte Menschen weiß man, dass gerade die Langzeitbelastung gesundheitsschädliche Effekte hat (dazu später mehr).
Stark betont wird auch hier der Einfluss psychologischer Faktoren wie die Besorgnis wegen Mobilfunksendeanlagen. Diese wurde vorab, d. h. vor den Testnächten, in einem Fragebogen abgefragt, der u. a. die folgenden Fragen und mögliche Antworten beinhaltete:
- Haben Sie sich vor der Befragung mit dem Thema elektromagnetische Felder des Mobilfunks beschäftigt? Noch nie beschäftigt, nur wenig beschäftigt, etwas beschäftigt, viel beschäftigt
- Machen Sie sich wegen möglicher gesundheitlicher Risiken durch elektromagnetische Felder, die von Mobilfunksendeanlagen, Handys oder schnurlosen Telefonen ausgehen starke Sorgen, ziemliche Sorgen, wenig Sorgen, gar keine Sorgen?
- Wie stark fühlen sie sich durch elektromagnetische Felder von Mobilfunksendeanlagen, Handys, schnurlosen Telefonen oder anderen Quellen in ihrer Gesundheit beeinträchtigt? Gewählt werden konnte hier zwischen stark beeinträchtigt, ziemlich beeinträchtigt, wenig beeinträchtigt und gar nicht beeinträchtigt.
Während der Testungen füllten die Probanden, wie schon erwähnt, Abend- und Morgenprotokolle aus. Hier konnten sie die Ursachen für schlechten Schlaf angeben. Vorgegeben waren z. B. innere Unruhe, „konnte nicht aufhören zu denken“, körperliche Mißempfindungen sowie „Sonstiges“. Abgefragt wurde nicht, ob eine Beeinträchtigung durch die Strahlung als Ursache für schlechten Schlaf in Frage kam; diese wurde auch in der Kategorie „Sonstiges“ in keinem Fall genannt (S. 177). Es wird von den Probanden auch nicht erwähnt, dass jemand wegen der Besorgnis einer Beeinträchtigung schon nicht ein- oder durchschlafen konnte. Dass allein eine intensive Beschäftigung mit möglichen Beeinträchtigungen durch den Sendemast zu Verschlechterungen geführt habe, wird damit begründet, dass Sorgen hinsichtlich möglicher Einflüsse auf die Gesundheit durch Mobilfunksendeanlagen als signifikante Einflussgröße mit einer signifikant längeren Schlaflatenz, längerer Wachdauer nach Schlafbeginn und geringerer Schlafeffizienz korrelierten (S. 218). Die Kausalität wird damit ausschließlich unterstellt, da eine Korrelation noch lange keine Kausalität diesbezüglich begründet. Umgekehrt könnte es sich nämlich auch so verhalten, dass Personen, die zum längeren Einschlafen und häufigeren Aufwachen tendieren, sich auch eher besorgt fühlen, wenn vom Mobilfunk die Rede ist, da Schlafstörungen eine der häufigsten diskutierten Folgen ist. Das könnte sich in der gleichen Korrelation ausdrücken. Dafür spricht auch, dass keine Testperson unter „Sonstiges“ angegeben hatte, dass sie schlechter geschlafen habe, weil sie sich wegen des aufgestellten Sendemasts Sorgen gemacht habe.
Selbst in der Zusammenfassung des BfS, das ja stets dazu tendiert, keine Effekte durch Mobilfunk zu finden, heißt es: „Die Schlafqualität war für die objektiven Parameter unter Exposition eher schlechter, wobei aufgrund der Fragebögen überwiegend andere Gründe für schlechten Schlaf als elektromagnetische Felder identifiziert werden konnten“. Wo man einen Effekt findet, muss eine psychologische Erklärung her.